Das Mühsal mit der Mühe und der Geduld

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Amanda
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Das Mühsal mit der Mühe und der Geduld

Beitrag von Amanda » 3. Apr 2007, 12:48

Hallo,

vom Typ her bin ich eher flüchtig und ungeduldig. Aber vielleicht ist das eine doch öfter anzutreffende Schwierigkeit, die andere mit mir teilen?

Eine Bildidee, oder ich möchte einfach üben, dann setze ich mich hin und plane, schon das kostet mich Überwindung, geht aber noch, wenn ich das mit einem Lernziel verknüpft bekomme. Am liebsten mag ich einfach so drauflos malen oder zeichnen, solange ich einen unbewußten Plan im Kopf habe, geht das auch automatisch ganz gut.

Aber wehe ich muß planen und diesem Plan auch folgen. Gerade was Zeichnungen angeht, wo es darauf ankommt möglichst strukturiert vorzugehen, verlässt mich sehr schnell die Lust und das Ganze wird zur Quälerei. Mein Kopf weiß, das es falsch ist und eine Pause, meinetwegen auch ein Bild zur Seite legen, auch für Wochen, wenn ich nicht weiterkomme oder merke, ich werde wieder flüchtig... :( Mein Kopf weiß auch, daß es viel Zeit und Mühe braucht bis Fähigkeiten sich automatisieren, es dann leichter wird, wenn man nicht mehr über jede Entscheidung "ewig" grübeln muß und sich einen abkrampft.

Aber dann passiert es, das ich eine Sache doch durchziehe und dann anfange zu schmieren oder zu kritzeln oder ich lege eine Sache beiseite und sie bleibt solange liegen, bis sie dann im Altpapier landet.

Das Nächste wäre die Wichtigkeit. Wenn ich sowieso vorher weiß, daß Produkt landet im Müll, z.B. vom Aktzeichnen, fällt es mir ungemein schwer mir Mühe zu geben. Ist ja "nur" eine Übung.

Auf das Thema komme ich, weil zuletzt Martin erwähnte, daß ich schon wüsste und könnte, aber oft nicht mache. Jo, zeigt sich auch in meinen Bildern, diese scheinbare Ambivalenz zwischen totalem Noobgekritzel und plötzlichen Gelingen und eben doch-können, was dann aber beim nächsten Bild völlig weg zu sein scheint.

DAS ist mangelnde Mühe, Motivation, Selbstdisziplin, Sinnfreiheit hinsichtlich des Endproduktes.

Kennt ihr das auch? Gibt es da Ideen, damit anders umzugehen?

LG,
Ellie

MartinH.
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Beitrag von MartinH. » 4. Apr 2007, 00:25

Ich habe mir deinen Thread über den Tag hinweg 3 mal durchgelesen und durch den Kopf gehen lassen, aber ich weis immernoch nicht so recht was ich dir schreiben kann. Ich wollte dich auf keinen Fall in eine Schaffenskriese drängen!
Prinzipiell kenn ich die Probleme alle irgendwie. Ich hab früher fast nie ein Nonspeedpainting zuende gebracht, seit über einem Jahr hab ich einfach keine mehr angefangen. Ausgenommen Auftragsarbeiten und Studiumsarbeiten, wenn mich jemand dazu zwingt kann ichs dann doch. Ungeduldig bin ich auf jeden Fall auch.
Das Problem massiver Qualitätsschwankungen in meinen Arbeiten kenne ich, empfinde ich aber mittlerweile nicht mehr als so problematisch. Ob das jetzt an meiner veränderten Wahrnehmung oder meinem veränderten Können liegt kann ich selbst gar nicht beurteilen. Ich glaub eine Lösung kann ich dir gar nicht nennen, nur 2 Denkanstöße. Zum einen gibt es meiner bescheidenen Erfahrung nach 3 Sprüche die auf Probleme zutreffen KÖNNEN:

1. Probleme sind Lösungen im Arbeitsgewand
2. Manche Probleme sind gar keine
3. Manche Probleme sind unlösbar, aber wenn man sie ignoriert kann man trotzdem gut damit leben.

Bis zum Beweis des Gegenteils geh ich eigentlich immer von Nr. 1 und 2 aus.

Der andere Gedanke ist, das es vielleicht nicht hauptsächlich an den "Tugenden" liegt, sondern am Umschalten zwischen L- und R-Modus (ich gehe davon aus du kennst das entsprechende Buch von Betty Edwards). Wenn du eine Referenz kopierst, kannst du entspannt in eine "einfache" Art des Beobachtens versinken, das abzeichnen bekommst du ja meist dann auch blendend hin. Das beobachten eines dreidimensionalen Motivs ist bei dir vielleicht noch irgendwie negativ belegt oder durch irgendwas gestört. Wenn du ein Aktmodell zeichnest, sagst du dir dann innerlich die Namen der einzelnen Körperteile auf die du zeichnest? Das wäre nämlich ein fataler Fehler der dich ins Symboldenken, den Feind vom R-Modus, treibt.
Dieses ganze links/rechts Modell halte ich zwar für fragwürdig wenn man es auf Profis anwendet und ist da wahrscheinlich auch nicht mit dem neusten Stand der Hirnforschung vereinbar, aber in meiner Anfängerzeit empfand ich das als große Hilfe.
Aber jetzt geht es ja irgendwann um das Übertragen von "sehen" zu "wissen wie es aussieht", das ausbilden eines fotografischen Gedächtnisses usw..
Mir persöhnlich hat es immer geholfen jede Aufgabe in Teilprobleme aufzuschlüsseln und die dann getrennt zu behandeln. Dazu würde dann meiner Meinung auch gehören mal nur das sehen zu trainnieren, ohne zu zeichnen. Das kann man den ganzen Tag machen, einfach alles genaustens beobachten was man sieht und das dann wieder in Teilbeobachtungen zerlegen, solange bis es nichts mehr zu teilen gibt. Eine Orange wird dann auf einmal zum runden Körper mit Schlagschatten, Körperschatten, indirekt reflektiertem und von der unterlage wohlmöglich eingefärbtem Licht, diffuser reflektion auf der Oberfläche, Spitzlichtern von einer direkten Lichtquelle, Beleuchtung durch diffuses Umgebungslicht usw..
Das geht jetzt alles an deiner eigentlichen Frage vorbei, sorry.
Beruhigt es dich vielleicht, dass ich vor 9 Stunden ein Bild weitermachen "wollte", in PS geöffnet habe, mich aber bissher erfolgreich um den ersten Strich gedrückt habe? Und das Bild ist sogar schon halb fertig, ich weis genau was noch zu machen ist und es ist auch noch ne Auftragsarbeit, eigentlich perfekte Vorraussetzungen. Bei mir ist grad irgendwie... der Akku leer. Es gab auch Zeiten, da hab ich Monatelang keinen Stift in die Hand genommen. Vielleicht bräuchte ich sowas mal wieder. Geht nur leider nicht, da ich mindestens einmal die Woche Aktzeichnen hab.
Mal wieder zurück zu meinem Post aus deinem Showroom. Hast du denn mal die Übung gemacht, die ich vorgeschlagen hab?

edit: ich glaub ich geh jetzt einfach pennen und nehm mir vor mein Bild Morgen früh zu vollenden ;).

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Amanda
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Beitrag von Amanda » 4. Apr 2007, 10:23

Hallo Martin,

was die Livesachen angeht, mir macht der Zeitdruck einfach zu schaffen. Ich habe für mich noch nicht herausgefunden, wieviel Detail oder auch Schatten "Sinn" macht in Bezug zur Zeit, die wir haben. Dann kommt die Kursleiterin, wenn wir einen 4-Minüter haben, und kritisiert bei mir fehlenden Schatten, lach, mach ich z.B. Zehen oder Finger mit, heißt es wieder, ich soll das vernachlässigen und nur andeuten. Sowas verwirrt mich schnell.

Meine Tochter und mein Freund müssen hier vor allem abends fast immer stillhalten.
:D ist also nicht so, daß ich nur Fotos bevorzuge. Ich habe keine Vorbehalte gegen räumliche Motive. Fotos halten eben länger still und es ist reizvoller, frei in der Motivwahl zu sein. Nasenaffen sitzen so wenige im Baum vor unserem Haus, aber ich finde die so cool und lustig, da habe ich so viel Spaß am Motiv, daß ich das Üben daran als wenig lästig empfinde. Eine Freundin meinte neulich, ich soll gefälligst weg vom Figürlichen/Gegenständlichen... weil mich das ablenkt von wesentlicheren Lernaufgaben. Meinst Du ja auch. Ihr habt da wohl auch Recht.

Sehen glaube ich, ist weniger mein Problem als den Aufwand zu betreiben, in eine "stumpfe" Aufgabe viel Mühe zu stecken, wenn ich weiß das geht eh in den Müll oder das Motiv ist öde. Ähnlich wie in Indien diese Mandalas aus buntem Sand, die sofort nach stundenlanger Arbeit weggefegt werden. Es passiert mir selten, daß ich den Wunsch aus meinem Kopf bekomme, etwas Sinnvolles zu produzieren, das die Mühe lohnt, sondern einfach nur mache um es eben zu tun.

Das würde auch erklären, warum dir eine Auftragsarbeit leichter fällt durchzuziehen als etwas um seiner selbst Willen zu tun. Ich glaube mein Problem ist die Motivation, Wichtigkeit und da hängt es an Vorstellungen, was mich begeistert und das diese Begeisterung extrem von der externen Sinnhaftigkeit (Was fange ich mit dem Ergebnis an) und der inneren Motivation (wieviel Spaß habe ich am Motiv selbst).

Dank dir für deine Antwort. Und nö, ich muß und will noch die Übung angehen. *g*

LG,
Ellie

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Beitrag von IronCalf » 4. Apr 2007, 10:41

Das ist wie beim Vokabel üben - am Anfang ist es öde und man sieht den Sinn darin nicht und hat keine Lust. Wenn man dann aber schon Sätze formen und sich verständigen kann, dann ist das schon viel weniger frustrierend. Da muss man am Anfang einfach durch...

Wenn man sich da nicht reinbeisst, dann ist alles, was von 5 Jahren Italienischunterricht übrig bleibt: "Non lo so", "Non sono di qui" und "Una Birra grande".
soll gefälligst weg vom Figürlichen/Gegenständlichen
hat sie dir auch gesagt, wo du stattdessen hinsollst?
Vergesst niemals, dass sich auch der stärkste Mann aufs Kreuz legen lässt. Diesen Fehler machte Gott, als er auf die Erde kam.

Art must be "A" work or its not art. Art won't shine your shoes, fuel your car, or feed your cat.
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Beitrag von Amanda » 4. Apr 2007, 10:58

Hallo Iron Calf,

sie hat mir Johannes Ittenempfohlen.

Lese ich auch gerade nebenbei. (Bücherhallen sind sooo genial... habe ich das schon mal erwähnt? :lol:)

LG,
Ellie

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Beitrag von digitaldecoy » 4. Apr 2007, 11:02

Ich denke man sieht an der Beteiligung an diesem Thread, dass Du da ein sehr schwieriges Thema angesprochen hast, Ellie. Gleichzeitig glaube ich, dass es eines der wichtigsten Themen überhaupt ist, denn so gut wie alles, was ein beeindruckendes Bild ausmacht, kann man lernen und meistens macht dieses Lernen auch sehr viel Spaß. Nur die Motivation, die man zur Fertigstellung von wirklich aufwendigen Arbeiten benötigt, die kann einem niemand beibringen, da muss jeder sein eigenes Rezept finden. Ich habe eine ganze Weile grübeln müssen, bevor ich mich jetzt in der Lage sehe, vielleicht etwas halbwegs Sinnvolles dazu zu schreiben.

Als allererstes muss man vielleicht Mal feststellen, dass wenn man mit einem Bild etwas erreichen will, dies einen erheblichen Aufwand bedeutet. „Etwas erreichen“ kann man jetzt auf vielfältige Art auslegen – Eindruck beim Betrachter schinden, den Respekt der Community ernten oder auch einfach nur persönliche Ziele zu erreichen und weiterzukommen mit seiner Kunst. Meistens gehen diese Dinge aber sowieso Hand in Hand. Bilder, mit denen man neue Höhen erreicht, finden in der Regel Anerkennung und geben einem daher auf mehreren Ebenen ein gutes Gefühl. Aber es kostet Aufwand und genau den zu betreiben ist für viele eine erhebliche Hemmschwelle.

Zeit

Was man auch Mal festhalten kann ist, dass dieser Aufwand hauptsächlich Zeitaufwand bedeutet. Damit will ich jetzt nicht sagen, dass man nur genug Zeit aufbringen muss, um ein gutes Ergebnis zu erhalten. ABER ich wage durchaus zu behaupten, dass viele Artists überrascht wären, zu was sie fähig sind, wenn sie nur Mal etwas Zeit in ihre Arbeiten stecken würden. Denn nur weil man vielleicht noch kein begnadeter Speedpainter ist, heißt das nicht, dass man mit einer vernünftigen Planung und einen guten Konzept nicht trotzdem ein hervorragendes Bild auf’s Parkett legen kann. Leider hat die überall verbreitete Kultur des Skizzierens und Speedpaintens, so schön ihre Ergebnisse auch sind, dafür gesorgt, dass viele Artists auf diesem Level einsteigen und dort auch stehenbleiben und meinen, sie müssten erst noch ein paar Jahre skizzieren und speedpainten, bevor sie überhaupt Mal „gut genug“ wären, um ein aufwendiges Bild angehen zu können. Dabei ist eigentlich das Gegenteil der Fall, denn gerade in Speedpaintings ist man darauf angewiesen, die Regeln intuitiv zu beherrschen und mit wenig Aufwand und Fummelei zu einem ansprechenden Ergebnis zu gelangen. Bei einer aufwendigeren Arbeit hingegen hat man Gelegenheit, sich die Dinge Mal richtig durch den Kopf gehen zu lassen. Da kann man die ganzen schönen Lehren zu Perspektive, Farben, Komposition mal vor sich ausbreiten und ganz gezielt auswählen aus dem Fundus. An diesen Stellen festigt sich das Wissen – wenn es gezielt und bewusst angewendet wird. Diese Anwendung sollte nicht voreilig erfolgen, sondern abgewogen. Die klassischen Illustrations-Techniken bieten dort eine Vielzahl von Instrumenten, die alle Teil eines bewussten Arbeitsprozesses sind: Vorskizzen, Reinzeichnungen, Farbstudien, Kompositionsstudien.

Disziplin

Und damit kommen wir zu dem zweiten wichtigen Faktor: Disziplin. Wie oft habe ich es selbst erlebt, dass ich mitten in der Vorzeichnung steckte und es dann nicht erwarten konnte, mit dem Malen zu beginnen. Sogar zuletzt bei meinem „In der Falle“ habe ich die meisten Figuren in der linken Bildhälfte ohne Vorzeichnungen umgesetzt, weil ich einfach die Geduld verloren hatte. Ok, es spielten noch andere Faktoren eine Rolle, die man sich erschließen kann, wenn man den Thread liest, aber im Endeffekt lässt sich alles auf mangelnde Disziplin zurückführen. Dabei ist Disziplin beim arbeiten gar nicht so eine schwierige Sache, denn es funktioniert am Ende. Und wenn der Mensch sieht, dass etwas funktioniert, dann macht er es gerne wieder so. Man kann sich Disziplin also erarbeiten, indem man sich die ersten Male einfach dazu zwingt, es durchzuziehen. Danach hat man es leichter, versprochen! Vor „The Journey Begins“ hätte ich es nicht für möglich gehalten, so viel Zeit in ein Artwork zu stecken und dann noch über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Im Moment arbeite ich an einem Artwork, wo allein die Vorzeichnung mich schon seit drei Wochen beschäftigt und mich mindestens noch eine Woche beschäftigen wird. Man erobert sich diese Disziplin einfach und mit jedem Bild gewinnt man mehr Disziplin und ist zu immer aufwendigeren Produktionen in der Lage.

Die Freude am Weg

Wenn ich davon spreche, dass man sich die Disziplin erobert, dann meine ich damit nicht etwa, dass man sich einfach nur ein dickes Fell zulegt und die „Qualen“ erträgt, die eine aufwendige Ausarbeitung mit sich bringt. Nein, ganz im Gegenteil. Man macht den Prozess zu seinem Freund, nimmt jedes einzelne Instrument bedächtig in die Hand und legt es nach verrichteter Arbeit mit einem guten Gefühl wieder zurück, um den nächsten Schritt zu gehen. Ich habe selbst erlebt, dass wenn ein Arbeitsabschnitt besonders aufwendig war, ich diesen sogar noch mit besonderer Sorgfalt erledig habe, so wie man bei einem schönen Spaziergang das Tempo drosselt, um langsamer voranzukommen und die Umgebung noch ein bisschen länger genießen zu können. Manchmal kommt es mir sogar so vor, dass Zögerlichkeit sich in diesen Momenten als Vorteil herausstellen kann. Ist durchaus schon vorgekommen, dass ich einer Vorzeichnung besonders viel Liebe gegeben habe, weil ich den nächsten Schritt irgendwie nicht machen wollte. Irgendwann war er dann unvermeidbar und ich bin mit einer besonders guten Grundlage in die nächste Phase gegangen. Man sollte sich ein gesundes Verhältnis zu den Arbeitsschritten erarbeiten und diese auch ruhig genießen. Das fällt dann besonders leicht, wenn man sich in dem jeweiligen Arbeitsschritt auf die Aufgabe konzentriert, die mit diesem Arbeitschritt erledigt werden soll. Ich glaube, das ist wirklich ein wichtiger Punkt. Frustration entsteht oft dadurch, dass das Ziel nicht klar ist. Wenn ich eine leere Datei aufmache und meine Aufgabe lautet „jetzt muss ich ein geiles Bild malen“, dann ist man dadurch überfordert und Überforderung tötet die Motivation. Daher ist es sehr wichtig, seinen Arbeitsprozess in Einzelschritte aufzuteilen bei denen man jeweils genau weiß, was man mit ihnen erreichen will. Dann macht es auf ein Mal Spaß, grobe Posenscribbles zu machen, weil man weiss, dass sie ruhig noch ganz grob sein dürfen, weil sie nur eine bestimmte Dynamik und Pose rüberbringen müssen. Und bei der Vorzeichnung konzentriert man sich dann nur auf den Zeichnungsaspekt – Linienfluss, Konturen, Shapes und steckt alle Mühe in das Ziel, eine schöne Zeichnung zu gestalten. Farb-Thumbnails können so unglaublich viel Spaß machen, weil es nur um Farbe geht. Eine Vorzeichnung existiert vielleicht schon (wenn der Farb-Thumbnail nicht der erste Schritt ist, was auch möglich ist, dann aber schwieriger wird) und so kann man sich wirklich einfach Mal nur auf Farbe konzentrieren und weiss, dass es im größeren Zusammenhang steht und jede Variante, die man gegeneinander abwägt das Endergebnis weiterbringt. Ganz ehrlich: wir reden hier so oft über Regeln zu den bestimmten Gebieten wie Farbe, Kontrasten etc. aber wann setzt man die schon Mal ein? Nur bei solchen Gelegenheiten, wenn man seinen Arbeitsprozess gegliedert hat und diesen Regeln ihren eigenen Arbeitsschritt widmet, beschäftigt man sich doch wirklich sinnvoll mit diesen Theorien. Und wenn die Aufgaben so klar und deutlich vor einem liegen, dann machen sie auf ein Mal auch Spaß und man überschlägt sich plötzlich vor Ideen. Die einzige Phase, für die ich bisher noch keine wirklich befriedigende Lösung gefunden habe, ist das Ausarbeiten von Details. Das kann sich manchmal unheimlich lang ziehen und an den Nerven zerren. Den besten Rat, den ich da geben kann ist, seinen Stil nicht auf Details zu stützen. Der gezielte Einsatz von Details ist rein Wahrnehmungstheoretisch sowieso effektiver als eine Detailflut.

Das Eis brechen

Ich habe oben ja geschrieben, dass man sich Disziplin erobern kann. Am schwierigsten ist dabei, die ersten Schritte zu gehen. Aus meiner Erfahrung heraus muss ich sagen, dass die beste Gelegenheit, um seine Disziplin in den Griff zu bekommen, das Bearbeiten von Aufträgen bietet. Besonders wenn diese aufwendig sind und ohne Disziplin schlicht und einfach nicht erledigt werden könnten, eignen sie sich hervorragend dafür das Eis zu brechen. Die schiere Angst davor, den Auftrag zu vergeigen vertreibt den inneren Schweinehund sehr effektiv. Aber auch, wenn man noch weit davon entfernt ist, professionell zu arbeiten, kann man an seiner Disziplin arbeiten. Ich empfehle dazu, sich einfach ein aufwendiges Projekt vorzunehmen. Idealerweise sollte man eine emotionale Bindung zu dem Projekt haben, die einem bei Motivationsengpässen neues Feuer unter dem Hintern macht. Meine ersten aufwendigen Bilder waren z.B. Fan Artworks, bei denen der Wunsch, der fremden Inspirationsquelle alle Ehre zu erweisen, ständig für neue Impulse gesorgt hatte. Alternativ kann man auch eine eigene Story visualisieren oder vielleicht auch mit anderen zusammenarbeiten und sich gegenseitig immer wieder motivieren. Auch Contests bieten eine sehr gute Möglichkeit, über sich hinauszuwachsen. Wenn man so ein Projekt vor sich auf dem Tisch liegen hat, ist es allerdings wichtig, dass man sich die Arbeit strukturiert. Das ganze einfach als Speedpainting zu sehen, an dem man halt zehn Mal so lange sitzt, bringt einen nicht substanziell weiter (ein Punkt, in dem ich z.B. immer noch mit Duracel uneinig bin). Man muss sich einzelne Arbeitsschritte zurechtlegen und diese diszipliniert abarbeiten, anders geht es, meiner Meinung nach, nicht. Wenn man das auch nur ein Mal vernünftig durchgezogen hat, hat man den schwersten Schritt hinter sich und kann sich in Zukunft darauf konzentrieren, die einzelnen Arbeitsschritte zu optimieren.

Vorschlag für einen Arbeitsablauf

Im Folgenden will ich kurz aufzählen, welche Arbeitsschritte man in welcher Reihenfolge ausführen kann. Dabei handelt es sich nur um einen Vorschlag, der sicher nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Aber er ist verprobt, so dass man zumindest keinen großen Fehler macht, wenn man es so angeht. Der Prozess wird übrigens auch so auf meiner DVD beschrieben.

1. Ideenskizzen
Man zeichnet kleinere Skizzen zu Figuren, Objekten, Umgebung etc. Das ganze dient dazu, ein Gefühl für die Szene, für wichtige Elemente und die Umgebung zu bekommen. Auf diese Weise kann man auch schon mal Posen und Kameraperspektiven ausprobieren.

2. grobe Vorzeichnung
Figuren und Kameraperspektive stehen fest und die Posen werden bearbeitet. Hauptaugenmerk liegt dabei auf Dynamik und Ausdruck. Auch die Umgebung wird schon Mal soweit definiert, dass die Szene lesbar wird.

3. Reinzeichnung
Die Vorzeichnung wird bis zu einem Grad ausgearbeitet, dass alle wichtigen Details definiert sind. Die Perspektive wird richtig ausgearbeitet, eventuell auch unter Zuhilfenahme von 3D-Software.

4. Tonwert-Thumbnail
Die Tonwerte in der Szene werden ausgearbeitet. Hier wird das Spiel von Shapes und Tonwertkontrasten aufeinander abgestimmt. Gegebenenfalls kann man diesen Schritt auch mit dem nächsten Schritt zusammen ausführen, aber es ist wichtig, die Tonwerte als wichtiges Gestaltungsmittel zu erkennen und das fällt meistens leichter, wenn man die Farbe erst Mal außen vor lässt.

Denkbar wäre es auch, den Tonwert-Thumbnail als ersten Arbeitsschritt anzusetzen. Das bietet sich vor allem dann an, wenn man einen sehr Shape-lastigen Ansatz verfolgt, wo die Umrisse und deren Organisation wichtiger sind als die Details. Hat man dann die Shapes festgelegt, kann man darauf immer noch eine Vorzeichnung aufsetzen. Es ist im Endeffekt eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob man die Shapes in einer Linienzeichnung oder in solider Form anlegt. Gängiger ist erstere Methode, da die Linienzeichnung die übliche Gestaltungsform ist und daher oft automatisch am Anfang des Prozesses steht.

5. Farb-Thumbnail
Beim digitalen Arbeiten ist man sehr flexibel, was Farben angeht. Man kann sie im Grunde zu jedem Zeitpunkt im Arbeitsprozess anpassen. Dieser Schritt ist beim analogen Arbeiten daher wesentlich wichtiger, es kann aber auch beim digitalen Arbeiten nicht schaden, sich vorher klar darüber zu werden, welches Farbschema man verfolgen möchte. Außerdem macht dieser Arbeitsschritt sehr viel Spaß und allein deshalb schon lasse ich ihn selten aus.

6. Ausarbeitun
Zu dem Punkt könnte man wahre Romane schreiben, was hier ein bisschen den Rahmen sprengen würde. Nach all den Vorbereitungen sollte man eine gute Grundlage haben, um jetzt richtig Mühe in die Ausarbeitung zu stecken. Das Abstimmen von Lichteffekten, Farbnuancen und das Rendern von Details nimmt eine Menge Zeit in Anspruch und diese Zeit investiert man natürlich umso lieber, je besser die Grundlage ist, auf der man arbeitet.

So, das ist ja Mal wieder ein stattlicher Text geworden. Ich hoffe, er hilft einigen dabei, sich zu motivieren und auch Mal etwas Größeres in Angriff zu nehmen.
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Beitrag von kaktuswasser » 4. Apr 2007, 11:58

Daniel, danke für die Erinnerung.

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Beitrag von Amanda » 5. Apr 2007, 10:55

Hallo,

lieben Dank für die interessanten und lehrreichen Beiträge. Digitaldecoy, deine DVD steht auf meiner Wunschliste und da ich bald Burzeltag habe, hehe, mein Freund ist schon instruiert. :D

Was mir auch noch an mir aufgefallen ist, daß es soooo viele Ideen gibt in meinem Kopf und die sehr selten lange genug halten, um von mir umgesetzt zu werden. Nach dem Moto: "Wir haben doch keine Zeit!" und "Es gibt noch soo viel zu entdecken!"

Wäre ok, wenn das kurz vor Ende der Fertigstellung, dem Grauen vor den Details wäre, ich fang oft nicht mal an. :?

Ansonsten beginnge ich damit nach Plan zu arbeiten und das hilft mir hinsichtlich meiner oft fehlenden Sorgfältigkeit schon sehr.

LG,
Ellie

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Beitrag von Chinasky » 7. Apr 2007, 13:25

Interessanter Thread! Insbesondere an Martin und Daniel meinen Dank für den Schreibaufwand! Hab's mit Genuß gelesen und immer mal zwischendurch nicken müssen - manchmal mit einem ärgerlichen Augenrollen, weil ich mich selbst häufig nicht an diese guten Ratschläge halte.
Es genügt nicht, keine Meinung zu haben. Man muß auch unfähig sein, sie auszudrücken.

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