Über Virtuosität, Wiederholung und Improvisation

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Duracel
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Über Virtuosität, Wiederholung und Improvisation

Beitrag von Duracel » 12. Sep 2008, 19:11

ich bin heute über folgenden Link gestolpert:
http://www.youtube.com/watch?v=OIJtKxdRQzY

Dieses Beispiel wirft für mich einige Grundsatzfragen auf.
Beim ersten mal zuschauen hat es mich definitiv gefesselt nach der Auflösung und ein paar Gedanken später schon fast gelangweilt.
Die Grundsatzfragen, die sich daraus ergeben finde ich dagegen nachwievor höchstspannend.

Um direkt einen Diskussionsanstoß zu geben; mich hat es sehr an das Spielen von vorgefertigten Musikstücken erinnert. Was ist also der Unterschied zwischen diesem und dem Lifeauftritt einer Band? Gibt es überhaupt einen?
Bzw. warum ist der Anspruch an Improvisation und dem stetigen Zwang sich motivisch bloß nicht zu wiederholen bei Illustratoren wie uns hier im Forum so hoch?
Ich selbst merke genau dieselbe Art von "sich auf kein Motiv festlegen zu wollen" auch bei meinem Gitarrenspiel(spiele seit 2 Jahren) und der Aha-Effekt, den das beim "Publikum"(Freunden) auslöst ist(derzeit) entsprechend milde.

Ansonsten finde ich dieses Beispiel auch sehr interessant in Bezug auf "abstrakt <-> gegenständlich". Der Überraschungseffekt entsteht ja vorallem dadurch, dass sich das Bild für den Betrachter sehr "plötzlich" von abstrakt in gegenständlich wandelt.
Ist also die Kunst hier viel weniger das Schaffen eines besonders beeindruckenden Bildes, als das verdichten des "Aha"-Effektes um einen plötzlichen "Impact" zu erzeugen ... denn ich würde behaupten, dass dieser Dan Dunn vorallem dadurch besticht äußerst gekonnt zu verschleiern, dass er im Grunde nur malen nach zahlen praktiziert. Und dabei wird die Festgelegtheit und die vergleichweise Einfachheit des Motives kontrastiert durch die bewegte Scheinimprovisation.
Solange wie möglich den Eindruck erwecken, dass noch nichts wesentliches passiert ist und man nur frei nach Lust und Laune rummalt, und ehe man sich versieht wurde man vom Zauberkünstler genarrt und das Bild ist schon fertig.
Man ist getäuscht worden ... ich selbst sogar enttäuscht. Aber die Illusion war da - wenigstens für kurze Zeit.
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Jabo
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Beitrag von Jabo » 13. Sep 2008, 01:57

Ich sehe den Mann auch eher als Magier als als Maler (dreimal "als", siehe da). Bei der Magie geht es auch darum, mit der einen Hand vorzugaukeln und mit der anderen zu Schaffen. Das ist seine Show, das ist seine Qualität. Mir ging es aber ähnlich wie dir. Der Aha-Effekt war sehr, sehr kurzlebig. Als ich mich dann gefragt habe "Wäre es das Geld für die Vorstellung wert gewesen?" war die innere Antwort sofort "Nein, und drei Minuten Zeit hätte es auch noch gekostet". Aber das mag an der künstlerischen Ader liegen. Für jemanden, der sich nicht mit Kunst und Kunstmethoden beschäftigt, kann das durchaus eine Sache sein, von der er noch Jahre später erzählt. Deshalb hat es seine Daseinsberechtigung.

Aber was die Künstler und das nicht Festlegen von Motiven betrifft, das sehe ich etwas anders... wenn ich deine Frage richtig verstehe. Ich finde, dass viele sich zu sehr spezialisieren (... um mich zu beeindrucken. Es geht hier um persönliche Bilder, nicht um Jobs). Einer der Gründe, warum mich Künstler nicht interessieren, die mittelalterliche Bilder malen ist, dass das in vielen Fällen auch das einzige ist, was sie hinbekommen. Und ein Ritter bleibt immer ein Ritter, egal wie oft man ihn leicht abgewandelt malt. Am liebsten sehe ich mir immer noch Bilder von Menschen an. Auch wenn der menschliche Körper de facto immer gleich aussieht, haben es im Laufe der Jahrhunderte Künstler geschafft, vollkommen unterschiedliche und vielschichtige Momentaufnahmen einzufangen. Dementsprechend stimme ich dir zu, dass die Konzentration auf ein spezielles Thema sehr aufmerksamkeitsstark sein kann. Vielleicht ein dummes Beispiel, aber ich habe vor ein paar Jahren wieder angefangen zu malen und zu zeichen, als Andrew Jones auf dem Höhepunkt seiner Selbstportrait-Serie war. Diese Serie halte ich für eine der besten Arbeiten der digitalen Malerei bis heute. Dennoch war es immer nur das eine Gesicht und seine Inszenierung.

Was Dunn's Werk da oben betrifft... ich glaube für mich wird es dadurch getrübt, dass das Motiv ein Klischee ist. Ray Charles' lachendes Gesicht ist an Trivialität wohl kaum zu übertreffen.

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Beitrag von digitaldecoy » 13. Sep 2008, 16:06

Ich denke, der Anspruch der Innovation ist im Zusammenhang mit Bildern deshalb so hoch, weil das Bild ansich keine Zeitdimension hat. Ist das Bild gemalt, existiert es permanent und kann permanent wahrgenommen werden. Wenn man ein gutes Bild malen würde und würde es auf einer Ausstellung immer nur für ein paar Sekunden zeigen, dann würde man schnell in die Situation kommen, dass das Publikum das Bild noch Mal sehen wollen würde. Man würde das Bild immer wieder zeigen müssen, weil immer wieder Leute kommen würden, die es noch nicht gesehen haben und denen man es noch Mal zeigen müsste. Damit würde man aus dem Bild aber eine Darbietung machen. Aber so werden Bilder in der Regel nicht präsentiert. Für den Musiker ist es völlig natürlich, immer wieder seine Songs darzubieten, weil man seine Kunstform nur über die Zeit wahrnehmen kann. Es besteht gar keine Möglichkeit, Musik permanent wahrzunehmen, weil sich das Kunstwerk ja auch nicht auf einen Zeitpunkt konzentrieren lässt. Beim Bild ist das aber eben nicht so. Man muss ein Bild nicht zwei Mal malen, dafür gibt es keinen Grund. Wenn das Bild der eigentliche Gegenstand des Kunstwerkes ist, dann reicht es, es ein Mal zu malen und dann existiert es permanent. Immer wieder ähnliche oder austauschbare Motive zu malen wird daher vom Publikum nicht positiv bewertet.

Und was Virtuosität angeht: Virtuosität funktioniert in der Regel als Selbstzweck. Wenn man jemanden beobachtet, der eine bestimmte Handlung mit Virtuosität durchführt, dann hat das einen ästhetischen Reiz ansich, ganz egal, was genau gemacht wird. Ob nun jemand Bälle jongliert oder ein schwieriges Klavierstück spielt oder eine steile Felswand hochklettert - wenn es die eigenen Fähigkeiten übersteigt, dann ist man schnell fasziniert. Virtuosität als Darbietung nutzt sich allerdings auch schnell ab, denke ich. Das liegt vielleicht daran, dass Virtuosität ganz viel mit Wiederholung, Training und Einstudieren zu tun hat und der Betrachter sehr schnell die Grenzen erkennt, innerhalb deren sich die Virtuosität abspielt. Und Virtuosität ist auch nicht alles, würde ich sagen. Es gibt z.B. auch Kunstwerke, die durch ihre Komplexität und Komposition beeindrucken. Wenn ich ein beeindruckendes Gebäude oder eine Sinfonie betrachte, dann ist es nicht unbedingt Virtuosität, die mich da mitreißt, sondern eher die Schöpfungskraft, die hinter der Komposition steckt. Und diese Kraft muss nicht mit flinken Gesten vor meinen Augen vorgeführt werden, sondern im Gegenteil - sie spielt sich in der Regel im Hintergrund ab, in monatelangen, vielleicht jahrelangen Entwicklungsprozessen und kulminiert am Ende in einem Kunstwerk, dass mich mitreißt, weil es eben kein eingeübtes Kunststückchen ist, sondern das Ergebnis eines hochkomplexen Prozesses. Allerdings kann dieses Ergebnis natürlich auch wieder von Virtuosität profitieren - eine schöne Sinfonie, virtuos vorgetragen, ist natürlich noch Mal so schön. Genauso wie ein klug komponiertes Bild, durch eine virtuose malerische Umsetzung profitiert.

Ich denke, potenzielle Probleme liegen meist genau in der Gegenrichtung - es wird häufig auf eine virtuose Ausführung Wert gelegt, obwohl die kompositionelle Grundlage fehlt. Es wird an einer glänzenden Oberfläche poliert, die keinen Unterbau hat. Es ist halt doch immer noch einfacher, Handgriffe einzustudieren und zu wiederholen als sich tiefgründig mit den Dingen auseinanderzusetzen. Scott McCloud hat das in "Understanding Comics" ziemlich gut erklärt finde ich. Dort vertritt er die Theorie, dass die Entwicklung eines Künstlers immer von der Oberfläche zum Kern hin erfolgt. Man beginnt immer damit, die "Tricks" zu lernen, mit denen man Effekte heischen kann und bewegt sich nur langsam an den Punkt, wo man wirklich schöpferisch tätig wird.
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Beitrag von MartinH. » 13. Sep 2008, 19:11

Um mal Duras Musikvergleich aufzugreifen, würde ich dieses "action Painting" nicht wie das vortragen eines eigenen Musikstückes einstufen, sondern wie das spielen eines Covers. Bob Ross wäre für mich dann sowas wie ein "Improvisieren in vorgegebenem Rahmen", also z.B. improvisieren auf der einer Pentatonik. Was genau rauskommt weis man vorher nicht, aber man weis wie es ungefähr klingen wird.
Die Fragen zur Wertung wären dann, ob man jeden Musiker ausbuht, der nur Lieder nachspielt, und ob wirklich jeder Free Jazz mag ;).

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Beitrag von Duracel » 15. Sep 2008, 12:55

Ah, freut mich sehr; ihr habt den Spielball sehr schön aufgegriffen.

Als Gegensatz zur Zeitpermanenz fällt mir auch auf, dass es zumindest früher bei Gemälden die sehr starke örtliche Eingeschränktheit gab; zugleich aber auch das "kopieren" von Bildern für einen weiteren Ort durchaus usus war.(wo heute eher erwartet würde, das Bild mechanisch zu kopieren).

Aufjedenfall bestände bei all diesen Ansätzen der Wert jeweils darin es "hier und jetzt" zu haben; oder aber(siehe Selbstporträts) ein "hier und jetzt" einzufangen; etwas dagegen quasi "doppelt" zu haben wäre wertlos.
Man hört in diesem Zuge ja auch häufiger die Kritik "das ist alles dasselbe"; wogegen dann Experten streng dementieren und die von ihnen wahrgenommene Unterschiedlichkeit hervorheben. Auch hier wird also Unterscheidung, also Kontrast gefordert vom Rezipienten.

Mir fällt aber eben besonders auf, dass auch bei der bildlichen Kunst der Schaffensprozess nichtnur für den Künstler selbst, sondern auch für das Publikum einen enormen Reiz bilden kann. Also quasi den Weg zu beobachten. Das wäre vielleicht wiederrum vergleichbar mit dem verfolgen einer Sportverantstaltung.

Das ist alles insofern für mich besonders interessant, weil es für mich erstrebenswerter scheint, den Arbeitsprozess stärker in den Vordergrund zu rücken, statt dem Ergebnis; das Ziel wirklich nur als Ende eines Prozesses zu sehen.
Im Grunde wäre es beim Bildermalen die Frage, will man die Zeit des Schaffens "erleben", oder aber die Zeit des "fertigen Bildes"; immerhin, da so ein Bild ja eben permanent existiert für eine sehr lange Dauer, eine deutlicher "Zeitgewinn".

...*abbrech... muß dringend weg... man schreibt sich
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Beitrag von Jabo » 15. Sep 2008, 13:45

Mir fällt auf, sowohl in diesem als auch im "Was ist Design"-Thread, dass du sehr viel Wert auf den Prozess legst, und dass du die Bilder, die sich auf den Prozess stützen als wertvoller erachtest, verglichen mit Bildern, die das Ergebnis in den Vordergrund stellen.

Als Leute, die selbst Bilder malen und zeichnen, werden wir dir hier wohl kaum widersprechen. Bilder zu malen ist interessanter als sie anzuschauen. Aber wie kann man den Prozess dem reinen Zuschauer, dem "Nicht-Künstler" näher bringen? Im Fall von Dunn ist das gelungen, aber dafür ist das Ergebnis nicht wirklich interessant. Den Spagat zwischen Ergebnis und Prozess müsste ein gutes Bild meiner Meinung nach schon schaffen, damit es für beide Gruppen interessant ist (und das sollte es sein, es sei denn du malst Bilder nur für dich selbst, was nicht nur egoistisch sondern auch Zeitverschwendung ist).

Die beste Möglichkeit, die ich mir vorstellen kann, ist für den Künstler selbst das Ergebnis weiterhin in den Vordergrund zu stellen, ein anderer steht mit einer Kamera daneben und filmt es. Natürlich kann das sehr langweilig sein, aber das ist Kunst oft. Der Zeitdruck bei solchen Sachen wie Dunn's Ray Charles ist der Faktor, der das Ergebnis in seiner Kraft reduziert. Ein Drei-Minuten-Bild kann im Ergebnis nicht mit einem Drei-Stunden-Bild mithalten (bei gleichem Qualitätsanspruch). Ergo ist es live schwer zu verwirklichen.

Um wieder den Andrew Jones Vergleich zu ziehen (und weil ich ein großer Freund des Fluxus bin ;) ): Er ist mit Bassnectar getourt und hat während der Musikshow auf dem Beamer gemalt. Das halte ich für eine vorbildliche Umsetzung. Der Zuschauer kommt wegen der Musik und bekommt den Prozess der visuellen Kunst nebenbei mit. Er kann sich darauf konzentrieren, kann aber auch einfach nur die Musik erleben. Das Endergebnis des Bildes kann er sich danach ansehen. Das hat mehr Momentum als die Show von Dunn, die dagegen hastig, trivial und vom Ergebnis her wenig überzeugend wirkt.

Hm, ich hoffe das ist alles schlüssig :D

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Beitrag von digitaldecoy » 15. Sep 2008, 14:44

Man kann sich natürlich Gedanken darüber machen, in wieweit es sich lohnt, den Malprozess zu inszenieren. Die Frage ist, welche Art von "Lohn" man sich davon erhofft.

Ich würde jetzt spontan vermuten, dass das Endergebnis stark unter einer Inszenierung des Malprozesses leidet. Andrew Jones ist da auch durchaus ein gutes Beispiel - ich finde die Kompositionen, die er für sich allein malt, wesentlich spannender und komplexer als die Bilder, die bei seinen Liveauftritten entstehen. Natürlich sind auch letztere nicht übel (und das zeigt auch nur, was für ein Profi er ist) aber im direkten Vergleich sind seine komponierten Arbeiten auf jeden Fall beeindruckender als seine improvisierten. Also, in meinen Augen zumindest.

In den allermeisten Beispielen kommt das Endergebnis ja auch noch viel schlechter weg als bei Andrew Jones. Ich denke da nur an diverse Straßenkünstler, die mir Sprühdosen ktischige Weltraumbilder in wenigen Minuten erzeugen und auch Bob Ross' Bildern sieht man ihren generischen Entstehungsprozess am Ende an. Aber ok - gerade ein Bob Ross würde vermutlich als Erster zugeben, dass ihm der Spaß beim Malen mehr bedeutet als das Bild ansich und den Malprozess für andere unterhaltsam zu gestalten dürfte ja auch dafür sorgen, dass man selbst mehr Spaß am Malen hat.

Ich muss sowieso sagen, dass Malen teilweise schon sehr anstrengend und ermüdend sein kann und es nicht immer so einfach ist, sich allein über das erwartete Endergebnis zu motivieren. Ich habe schon öfters in letzter Zeit darüber nachgedacht, wie man den Malprozess befriedigender gestalten könnte. Die Frage ist mir insbesondere nach meinem Einstieg in ZBrush in den Sinn gekommen, denn in diesem Programm macht das Arbeiten einfach die ganze Zeit, ununterbrochen Spaß. Ich weiß gar nicht genau, woran es liegt. Vielleicht, weil sich die Deformationen so natürlich anfühlen und man so eine schöne intuitive Kontrolle über das Modell spürt. Auf jeden Fall habe ich danach angefangen, auch in Photoshop genauer auf die Tools zu achten, mit denen ich arbeite und habe meine Pinselpalette mittlerweile mit Tools angereichert, die mehr auf Spaß optimiert sind als auf Präzision - mehr Dynamik in der Pinselgröße, mehr Chaos in verschiedenen Attributen und weniger klar umrissene Pinselspitzen, um den abstrakten Faktor zu erhöhen. Auf die Art und Weise macht es mir deutlich mehr Spaß zu arbeiten aber auch hier gibt es wieder das Problem: das Endergebnis leidet.

Man merkt es in Duras jüngster abstrakten Phase und bei meinen eigenen Arbeiten in der Richtung ist es auch so: die Bilder wirken alle schön locker und inspiriert und das hat auch alles seinen Reiz. Aber motivisch geben sie halt nicht viel her. Sie sind halt schnell und intuitiv improvisiert aber nicht sorgfältig und mit Hintergedanken komponiert. Das Eine mit dem Anderen zu verbinden, scheint schwierig zu sein. Trotzdem einen Weg zu finden wäre aber definitiv eine wertvolle Entdeckung. Wenn ich mir vorstelle, ich könnte aufwendige Bilder komponieren und trotzdem in jedem Augenblick der Bildentstehung meinen Spaß am Prozess behalten, wäre das phantastisch. Hier beneide ich ja wieder die Musiker - die Ausübung ihrer Kunst ist gleichzeitig der reinste emotionale Ausdruck, den ich mir vorstellen kann. Aber auch hier muss man vielleicht wieder den Komponisten und den Interpreten unterscheiden.

Ein interessantes Thema. Hier würden mich weitere Meinungen noch extrem interessieren. Wie nehmt Ihr denn so den Malprozess war? Fällt es Euch auch öfters schwer, aufwendigere Bilder zu Ende zu bringen, weil der Prozess Euch ermüdet? Kennt Ihr auch den Impuls, auf aufwendigere Projekte am besten ganz zu verzichten und sich auf schnelle Skizzen und Speedies zu beschränken, weil bei denen der Prozess noch spannend ist und mehr mit Musizieren zu tun hat als mit Komponieren? Oder habt Ihr vielleicht schon Wege gefunden, den Kompositionsprozess befriedigender zu gestalten? Wenn ich z.B. die aufwendigen Arbeiten von Markus oder Falk hier im Forum sehe, dann frage ich mich immer "woher nehmen die die Motivation für so aufwendige Bilder?"
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Beitrag von Jabo » 15. Sep 2008, 15:27

Sorry für die Spammerei, aber das Thema ist sehr interessant (danke Dura :) ).

Erstmal stimme ich Daniel zu. Du hast recht, sowohl bei Jones, als auch bei Ross, Dura und Dir ist das Endergebnis durch den interessanteren Prozess, der dabei entsteht, nicht so überzeugend wie bei den stark komponierten Arbeiten.

Ich beneide immer die starke Motivationskraft, die bei groß angelegten Kompositionen im Kopf des Künstlers vorhanden sein muss. Ein gutes Beispiel dafür ist meiner Meinung nach DD's Trapped. Ich selbst bin derzeit nicht in der Lage, diese Motivation aufzubringen, meistens liegt es daran, dass mir die technischen Grundlagen und das Wissen fehlen (=Skill), und ich mich nicht damit aufhalten will, viel Zeit in etwas zu stecken, was mich am Ende enttäuscht. Das dass kein Dauerzustand sein kann, weiß ich. Arbeit ist es allemal. Aber wie du schon sagst, Malen ist oft sehr anstrengend. Nie langweilig, aber immer anstrengend. Nichts macht mich so müde, als ein paar Stunden malen, gerade wenn es nicht so klappt, wie ich will.

Um deine Fragen zu beantworten: Der Malprozess ist für mich das eigentlich Interessante. Die Endergebnisse gefallen mir so selten, dass ich bis heute noch kein richtiges Portfolio zusammen stellen könnte. Ich bin aber auch noch nicht so weit wie viele andere hier im Forum. Mein komplettes Arsenal an Bildern beschränkt sich eigentlich auf Speedpaintings. Das selbe ist an meinen Bleistiftzeichnungen zu sehen. Die sind nie so weit, dass ich sie als fertig bezeichnen würde (man sagt ja, ein Bild ist nie fertig. Aber "fertig" im Sinne von Henrik's Degenesis Zeichnungen, das würde das Wort für mich schon bedeuten - vorallem wenn man sie mal live gesehen hat :P ).

Für mich ist das leere Blatt das Spannendste. Vor einigen Jahren hatte ich Angst davor. Aber heute sind die ersten groben Striche und die nachfolgende "grobe Verfeinerung" sehr viel interessanter als das restlichen Rendern, Schattieren und Detaillieren. Und das beziehe ich nicht nur auf meine eigenen Sachen. Meine Lieblingskünstler sind fast ausnahmslos die, die schnell und schwungvoll Dinge auf's Blatt bringen und das Bild irgendwann verlassen, wo andere noch Stunden investieren würden. "Man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist."

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Beitrag von nacho » 15. Sep 2008, 15:57

@Daniel:

Mir geht es so, dass ich mehr Spaß an schnellen Skizzen und grob angelegten Szenen habe. In der Phase ist für mich einfach mehr Spielraum für Experimente. Ab einem gewissen Punkt besteht die Arbeit an einem aufwändigeren Bild für mich nur noch aus Pixelschieberei, fitzeligem Detailing und minimalen Farbveränderungen. Meistens geht da der Spaß für mich verloren.
Das betrifft übrigens nur das Malen. Beim Zeichnen kann ich mich ewig mit solchen Sachen aufhalten und Spaß daran haben. Hier bin ich auch viel gewillter, der eigentlichen Arbeit am Bild eine Planungsphase vorausgehen zu lassen. Ich könnte nichtmal sagen woher das kommt. Ich arbeite dadurch in letzter Zeit auch deutlich zeichnerischer..

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digitaldecoy
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Beitrag von digitaldecoy » 15. Sep 2008, 16:25

Jetzt wo Du es sagst, nacho, würde ich auch sagen, dass ich bei einer Zeichnung wesentlich leichter detaillieren kann als bei einem farbigen Artwork und sich auch viel leichter ein Flow-Zustand erreichen lässt, in dem man die Zeit vergisst. Bemerkenswert! Liegt das vielleicht daran, dass das Zeichnen eine überschaubarere Aufgabe ist und man nicht ständig kritisch hinterfragen muss, was man tut? Beim Malen kommen ja doch viele Faktoren zusammen, die in ihrer Gesamtheit vielleicht eher dazu neigen, einen zu überfordern. Hmm, auf jeden Fall interessant.
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Beitrag von stier » 22. Sep 2008, 11:00

Haha, hab schon so einigen Gedanken an Musik vs. Malen verschwendet, und ihr bringts das so ganz beiläufig auf den Punkt.
Also mir sagt das temporäre der Musik, des Films, der Geschichte etc. mehr zu.
Vielleicht hängt es mit meinem Drang zur Imperfektion, zum Kaputten zusammen dass ich mich bisher noch nicht für die Feinarbeit einer Malerei oder einer Zeichnung begeistern habe können (Ausführend, wohlgemerkt).

Zur 'Aktion' selbst habe ich ein gutes Beispiel: Ich hab 10 Jahre lang Musik komponiert, ganz für mich allein (ja Jabo...), um mittlerweile ans Ziel zu gelangen. Das letzte Jahr war unproduktiv und fühlte sich leer an, weil ich das nicht akzeptieren konnte.
Jetzt fühle ich mich bereit, meine Erfahrungen und Erkenntnisse weiter zu geben, indem ich aufs 'Performen' umsteige. Stellt mir ein Instrument hin, und ich mache euch einfache, für jedermann verständliche Musik, die völlig die Meine ist, ohne Bezug auf irgendwas und irgendwem. Melodien, die von mir kommen, und für Alle sind, die zuhören wollen.
Ich setz mich hin und spiel, und es ist immer gleich, es ist wie Malen mit 7 Farben, aber immer etwas andere Motive. Die Grundaussage bleibt gleich.

Ob man sowas in der Malerei erreichen kann, weiss nicht. Is die Frage obs jetzt um die ausführende Profession des Malens geht, oder um banale Kunst.

Meiner Meinung nach spielen Fotografie und Malerei in einer anderen Liga als Musik/Film/Geschichte

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