Was ist Kunst?

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Jabo
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Beitrag von Jabo » 29. Mai 2008, 01:33

Komisch, für mich ist Frazetta die Urform des Fantasy-Illustrators. Für mich ist das reines Illustrieren. Nur weil es ikonisch wirkt und man sich gezwungenermaßen an die Realisten erinnert fühlt, heißt das für mich noch lange nicht, dass ein höherer Sinn in der ganzen Sache steckt. Frazetta ist für mich genau das Gegenteil dessen, was für dich künstlerische Illustration darstellt. Schön anzusehen, aber es sind halt nur Drachen, Ritter und Elfen. Da finde ich viele Comiczeichner, die ja höchstwahrscheinlich eher zu den Illustratoren als zu den "Künstlern" zählen, um einiges ausdrucksstärker, weil sie das idealistische, das Frazetta zweifellos abbildet, umdrehen. Dann kommt am Ende sowas wie Guybrush heraus. Ein schlaksiger Antiheld, der dem Idealbild eines Heroen in keinster Weise entspricht. Das finde ich, wenn ich die weitläufigen Definitionen einbeziehe, weitaus künstlerischer als Frazettas ewig angespannte Muskelpakete. Und die erwähnten Comicfiguren sind um einiges emotionaler.

Je mehr ich über diesen Thread und dieses Thema nachdenke, desto eher stimme ich Daniel zu, dass der Begriff Kunst eigentlich irrelevant – oder eher redundant – ist.

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Artdek
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Beitrag von Artdek » 29. Mai 2008, 08:33

Wenn man schon Kunst und Illustration voneinander abgrenzen will, dann sollte man zumindest nicht vergessen, dass Kunst (Kunstwerke, Künstler und Techniken) die Illustration schon immer inspiriert hat. Ohne das eine gäbe es das andere nicht.
Da jetzt zu behaupten, dass der Begriff "Kunst" redundant sein, ist so wie zu sagen, dass man keine Mutter hätte, weil man doch eh schon auf der Welt sei.
"Hundert Schafe, von einem Löwen geführt, sind gefährlicher als hundert Löwen, geführt von einem Schaf."

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Beitrag von MartinH. » 29. Mai 2008, 09:09

@artdek: war nicht kunst in ihrer anfangszeit quasi illustration? viele bilder die heute unstreitig kunst sind, sind doch z.b. herrscherportraits oder illustrationen zu biblischen geschichten, auftragsarbeiten. solange es keine fotografie gab, war malerei zwangsweise illustration und ich wage zu behaupten das ein nicht kleiner teil davon auch bewusst erstmal nur für diesen zweck erstellt wurde und nicht, damit sich in 1000 jahren jemand darüber streiten kann ob das kunst ist oder nicht. in will eisners visual storytelling wird es so dargestellt, das die höhlenmalerei als form der visuellen naration entwickelt wurde um etwas zu vermitteln. damit wärer illustration vor kunst dagewesen und in der huhn VS ei debatte würde die kunst von der illustration gepwnd.
ich sehs wie daniel und denke das wir ohne kunstbegriff besser dran wären. trotzdem hab ich überhaupt nichts gegen kunst.
edit: ok, korrektur: ich sehs so wie daniel in erwägung zieht es zu sehen ;).
Zuletzt geändert von MartinH. am 29. Mai 2008, 09:39, insgesamt 1-mal geändert.

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digitaldecoy
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Beitrag von digitaldecoy » 29. Mai 2008, 09:29

Mir ist immer noch wichtig, dass ich mir lediglich die Frage gestellt habe, ob das Wort "Kunst" nicht vielleicht mehr Ärger macht als es Nutzen bringt. Ich habe es nicht behauptet. Das mag eine Formalität sein aber für mich macht es einen großen Unterschied, denn wenn ich davon überzeugt wäre, dass das Wort "Kunst" überflüssig wäre, würde ich ganz anders in die Diskussion einsteigen. :)

@ Jabo:

Also ich verbinde Kunst nicht automatisch mit einem höheren Sinn. Oder vielleicht doch, wenn man den höheren Sinn darin sieht, dass etwas zum Ausdruck gekommen ist, was nur dem Künstler eigen ist. Wenn ich einen Stadtplan, oder eine perspektivische Ansicht einer Luxusyacht nach Bauplänen zeichne, dann ist das für mich Illustration in Reinform. Wenn ich aber einen Roman lese und danach die Bilder, die sich in meinem Kopf geformt haben, male, dann ist das für mich eine Interpretation auf emotionaler Ebene. Frazetta ist da, in meinen Augen, eben ein gutes Beispiel, weil er einen ganz eigenen Schwerpunkt gesetzt hat. Er hat nicht versucht, eine fantastische Realität wiederzugeben. Er hat keine minutiösen Rüstungen und Burgen und Landschaften gemalt, um ein virtuelles Foto aus einer virtuellen Welt zu präsentieren. Er hat die Essenz der Fantasy, wie sie sich ihm darstellte, abgebildet. Er hat das Thema reduziert auf Ausdruck und Atmosphäre. Mir persönlich geht es z.B. so, dass ich bisher noch von keinem Künstler eine Interpretation von Conan dem Barbar gesehen habe, die mich überzeugt hätte, außer von Frazetta. Bei allen anderen Künstlern sieht Conan aus wie ein alberner Bodybuilder in Kostüm, nur bei Frazetta wirkt er für mich authentisch, weil Frazetta ihn reduziert auf den Ausdruck von Form und Energie. Ein reiner Illustrator (als theoretisches Konstrukt) würde versuchen, alles so genau wie möglich darzustellen, damit ein objektives Bild entsteht.

Ich denke, am besten fährt man in dieser Frage mit einem skalierten Modell, wie Duracel es vorgeschlagen hat. Ich denke, man kann jedem visuellen Kunstwerk einen gewissen Grad an Illustration und künstlerischer Interpretation zuordnen. Wenn man das überhaupt will.
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Beitrag von Noren » 29. Mai 2008, 10:02

Vielleicht so:
Kunst ist etwas ideelles, ueberhoehtes. Die Seele zum konkreten Koerper des Kunsthandwerks. Ausserdem im Kontext der Zeit zu sehen.
In manchen Stroemungen der modernen Kunst versucht nun die Seele sich vom Koerper zu emanzipieren, die Idee, die Botschaft rueckt in den Mittelpunkt, nicht der Traeger. (Leider kann man die nicht so gut verkaufen und im Museum anschauen.) )
Ausserdem muss die Khunst sich an "romantischen" Idealen messen lassen.
Sie soll neu sein, subversiv, eltitaer, revolutionaer, gewitzt, bewegend, unverkaeuflich etc. etc.
(Ansonsten waere naemlich Werbung die hoechste Form der Kunst und nicht schnoeder Kommerz. ;) )
Diese Werte verkoerpert der Kuenstler und "uebermittelt" sie gegen eine kleine Aufwandsentschaedigung ueber den "Vermittler" Kunsthaendler/ Galeristen an den Konsumenten, der oft genau das Gegenteil von den oben genannten Begriffen ist. (Oder einfach nur eine lukrative Anlagemethode sucht. )
Noch ein wichtiger Punkt, unentbehrlich fuer die Kunst :
Gestelztes Geschwafel.
Ist mein Posting also Kunst?
Sind die Werbeagenturen doch voll von Kuenstlern?
War Michelangelo letztendlich nur ein besonders teurer Anstreicher und Steineklopfer?
Haette ich nicht einfach besser nichts geschrieben?
Ein leeres Posting?
Waere das dann Kunst?
Oder haette ich reinschreiben sollen: "Dies ist kein Posting!"
und waere daran gescheitert?
Haette ich besser auf die vorangegangenen Postings eingehen sollen?
Ich denke nein.

Falk
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Beitrag von Falk » 29. Mai 2008, 10:11

Daniel, worin siehst du eigentlich genau den Ärger, den der Begriff "Kunst" deiner Meinung nach anrichtet?

Jabo: Was Frazetta angeht, bin ich einer Meinung mit Daniel. Schau dir vielleicht nochmal seine Bilder genauer an. Du wirst, neben dem was Daniel beschreibt, zB auch finden können, dass er seine "Muskelprotze" teilweise keinesfalls ernst nimmt, ja sie sogar benutzt um sie selber und andere Fantasyprotze bloßzustellen (am offensichtlichsten in dem Bild, auf dem Conan eine gigantische Schlange reitet...)

Ansonsten empfinde ich die Aussage, das Wort Kunst sei irrelevant, irgendwie sehr schade. Weil ich die Kunst als eine der wichtigsten Fähigkeiten halte, die wir Menschen im Gegensatz zu den Tieren in uns tragen. Durch die Kunst sind wir kreativ und schöpferisch und meiner Meinung nach ist die künstlerische Tätigkeit auch ein Faktor, der einen Menschen glücklich machen kann.



edit: @Noren: Das Problem, dass ich in deiner Beschreibung sehe ist, dass man die Kunst anhand deiner Beschreibung überhaupt nicht fassen kann. Du reihst einfach eine Anzahl an Wörtern aneinander, die jedes für sich etwas beschreiben, was aber alles Mögliche sein kann. Um einen dieser Begriffe herauszupicken: Revolutionär war zb Lenin, aber sein Handeln war weniger das eines Künstlers, sondern er war ein Politiker.

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Beitrag von digitaldecoy » 29. Mai 2008, 12:28

@ Falk:

Na, ich sehe halt viel zu oft, dass sich Dinge an der Frage "ist das Kunst oder nicht" aufreiben. Außerdem wird "Kunst" oft in den Mund genommen, um andere Dinge abzuwerten. Alle Dinge, die Dir wie mir an der Kunst gefallen, könnte ich auch mit anderen Worten beschreiben. Ästhetik, Kreativität, Emotionalität, handwerkliche Perfektion - diese Dinge würden ja nicht verschwinden, wenn man das Wort "Kunst" streichen würde. Im Moment überschattet das Wort "Kunst" oft all diese Dinge und die Kreativität und die Emotionalität, die z.B. in einem Comicheft stecken, werden herabgewürdigt, weil es keine "Kunst" ist.

Aber wie schon weiter oben geschrieben, würde man in einem Experiment das Wort "Kunst" verbannen, dann würden andere Wege gefunden werden, Dinge herabzuwürdigen. Dann würden halt "schlechte Ästhetik", "mangelnde Kreativität" und "Emotionslosigkeit" an dessen Stelle treten und das wäre völlig legitim. Aber das würde die Menschen wenigstens dazu zwingen, ihr Urteil genauer zu spezifizieren. Das blöde an "Kunst" ist ja, dass man damit alles überbügeln kann. "Das ist keine Kunst" ist nämlich nur Ausdruck eines Dogmas und keine wirkliche Auseinandersetzung mit einem Werk. Wäre man gezwungen, sein Urteil auf bestimmte Aspekte zu beziehen, weil einem der bequeme Oberbegriff fehlt, würde das vielen Diskussionen gut tun und manche Diskussionen vielleicht sogar erst ermöglichen.

Ist ein Gedankenspiel, sonst nichts.
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Falk
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Beitrag von Falk » 29. Mai 2008, 14:35

Ok, ich verstehe deine Argumentation und kann dir da zustimmen.
Die Menschen verbinden mit dem Wort Kunst eben immer gleich zwingend etwas wertvolles, dabei gibt es auch wertlose Kunst. Für mich gibt es auf jeden Fall sehr viele Illustrationen, die viel wertvoller sind, als eine Menge Kunstwerke...

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Beitrag von Artdek » 29. Mai 2008, 17:34

Das liegt wohl daran, dass zwischen Kunstwerk und Schrotthaufen der Abstand so verschwindend gering geworden ist.

Ich mag Kunst, die mich auf etwas bestimmtes hinzuweisen weiß. Wenn es mir etwas klar macht, dass mir vorher nicht bewußt war, dann ist es für mich ein Kunstwerk und ich werde es nicht vergessen.
Wenn es einfach nur schön ist oder mir der Zugang fehlt, dann ist es halt nur Kunst.
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